SECRET IN MY HEART Leseprobe

Hoch oben in den Bergen von Marvenira lag, umgeben von grünen Wiesen und Wäldern, eine kleine Stadt namens Varmuntis, in der ich geboren wurde und aufwuchs. Doch das Leben in dieser idyllischen Gegend, diesem scheinbar so friedlichen Ort, an dem ich alleine mit meiner Mutter lebte, war für mich nie leicht …

»Narai, komm runter, das Essen ist fertig«, rief Leora durch ihr Haus, um mit ihrem Sohn gemeinsam zu Abend zu essen. Die beiden wohnten alleine in einem kleinen Fachwerkhaus am Rande der Stadt und genossen dort kein besonders gutes Ansehen. So waren sie meist unter sich.

Narai kam die Treppe herunter und setzte sich zu seiner Mutter an den Tisch.

»Wie war die Arbeit heute?«, fragte sie ihren Sohn.

»Es war sehr anstrengend. Ich glaube, der Alte gibt mir absichtlich die schwierigsten Aufgaben, weil er mich nicht mag«, antwortete Narai bedrückt. Seine Mutter seufzte betrübt.

»Allerdings wirst du auf die Art auch besser als all die anderen, die ebenfalls das Schmiedehandwerk erlernen.« Sie versuchte ihren Sohn aufzumuntern.

»Mag sein. Aber wenn ich mit der Lehre fertig bin, wird mich niemand anstellen. Alle sehen mich nur argwöhnisch an, wenn sie dem Meister Aufträge erteilen«, entgegnete Narai traurig.

»Lass dich davon nicht unterkriegen. Du wirst deinen Weg finden und alles wird gut. Jetzt iss. Du brauchst viel Kraft, um der beste Schmied der Gegend zu werden.«

18 Jahre war es her, dass ein junger, attraktiver Mann nach Varmuntis gekommen war, um nach Arbeit zu fragen. Leora, beinahe selbst noch ein Kind, hatte sich sofort in ihn verliebt. Doch als die Wintermonate vorbei waren, verschwand der Mann und keiner sah ihn je wieder. Das einzige, was der jungen Frau von ihrer großen Liebe blieb, war ihr Sohn. Selbstverständlich liebte sie Narai bedingungslos, doch eine unverheiratete Frau mit einem Kind war in diesem Städtchen nicht gern gesehen und das machte das Leben für beide schwierig.

Nach dem Abendessen ging Narai direkt zu Bett. Der Tag war lang und anstrengend für ihn gewesen, er war müde und erschöpft. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, schlief er ein.

Mit den ersten Sonnenstrahlen des nächsten Morgens machte Narai sich auf den Weg in die Schmiede. Von weitem sah er ein junges Mädchen aus ihrer Haustür treten. Erfreut sie zu sehen blieb er stehen und beobachtete sie einen kurzen Augenblick.

Ihr haselnussbraunes, lockiges Haar reichte bis zu ihrer schmalen Taille. Sie trug ein aufwendig genähtes, bodenlanges Kleid in hellem blau, was perfekt zu ihrer weißen Haut passte. Völlig hingerissen von ihrer zierlichen Gestalt und ihren eleganten Bewegungen bemerkte er erst gar nicht, dass ihr Vater, der Bürgermeister der Stadt, nun hinter ihr aus der Tür getreten war.

Als er das mürrische Gesicht des alten Mannes sah, setzte er seinen Weg zur Schmiede schnellen Schrittes fort. So sah er nicht mehr, wie sie ihm zulächelte, als sie in die Kutsche stieg.

Lange schon war er in die Tochter des Bürgermeisters verliebt, die auf den wunderschönen Namen Anca hörte. Auch die junge Frau hatte Interesse an ihm, doch war es für beide wegen Narais familiären Hintergrundes unmöglich, jemals zusammenzufinden.

Ancas Mutter starb bei ihrer Geburt und ihr Vater hatte sich geschworen, sein einziges Kind vor allen Gefahren zu beschützen. Niemals würde er sie in die Hände eines Bastards geben.

Ancas Vater verließ des Öfteren aus geschäftlichen Gründen die Stadt und diese Gelegenheit nutzten die beiden, um sich heimlich zu treffen. Sie verbrachten dann ein paar schöne Stunden miteinander, in denen sie für einen Moment die Welt um sich herum völlig vergessen konnten. Doch immer häufiger schlichen sich Zweifel in Narais Gedanken. Keine Zweifel an seinen Gefühlen zu Anca und auch nicht an ihren Gefühlen ihm gegenüber.

Vielmehr fragte er sich, ob sie es sich nicht noch schwerer machten, indem sie Zeit miteinander verbrachten, obwohl es doch niemals Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft geben würde.