Als Raven wieder erwachte, befand er sich in einem herrschaftlichen, ihm unbekannten Landhaus. Er lag in einem großen, weichen Bett, gehüllt in weiße Laken. Sogar saubere Kleidung hatte man ihm angezogen.
Durch das geöffnete Fenster wehte ein leichter Wind frischer Nachtluft. Es war eine sternenklare Nacht und das Licht des Mondes erhellte den Raum, in dem er sich befand. Er sah sich um. Sein Blick fiel auf prunkvolle Möbel, übergroße Gemälde an den Wänden und die große, weiße Flügeltür, die ihn hoffentlich hinaus bringen würde. Hinaus in die Freiheit.
Vorsichtig erhob er sich vom Bett und schritt auf die Tür zu. Kurz bevor er sie erreicht hatte, wurde sie auch schon von außen geöffnet und Keano trat ein.
„Habe ich doch richtig gehört, dass du endlich wach bist“, sagte er freudig. Raven schreckte zurück.
„Wenn ich dich hätte töten wollen, dann hätte ich bereits ein paar dutzend Gelegenheiten dazu gehabt.“ Keano hob beschwichtigen die Hände.
„Wer bist du? Und wieso hast du gehört, dass ich wach bin? Ich habe gar kein Geräusch von mir gegeben.“ Raven machte ein paar weitere Schritte rückwärts, um eine gewisse Distanz zu Keano zu wahren.
„Das denkst du. In Wahrheit waren deine Schritte, die du vom Bett bis zur Tür gemacht hast so laut, wie die eines Elefanten. Und ich sagte dir bereits letzte Nacht, als ich dich aus den Fängen des Herzogs befreit habe: Mein Name ist Keano“, antwortete dieser und ging weiter auf Raven zu.
„Wo bin ich hier?“ fragte der junge Mann unsicher.
„Du bist in meinem Landhaus“, antwortete Keano beiläufig.
„Was willst du von mir?“, hakte sein Gegenüber nach und stieß nun mit den Fersen ans Bett.
„Ich weiß, was dir angetan wurde, und ich möchte, dass du das alles hinter dir lassen kannst. Ich will dir einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft ermöglichen.“, Keano griff nach Ravens Händen und stellte sich dicht vor ihn.
„Du hast den Herzog getötet“
„Ja das habe ich. Es wird ihn aber niemand vermissen. Er war ein ebenso schlechter Mensch wie sein Urgroßvater. Trauerst du jetzt wirklich um den Mann, der dich so misshandelt hat?“ Keano setzte sich mit Raven auf das Bett.
„Nein, aber ich habe Angst davor im Haus eines Mörders zu sein.“ Wie versteinert saß Raven neben Keano und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
„Ich sagte dir bereits, vor mir brauchst du keine Angst zu haben. Ich werde dich nicht töten oder verletzen und ganz sicher werde ich dich nicht gegen deinen Willen zum Beischlaf zwingen.“, sagte Keano und sah Raven aufmunternd an.
„Wie geht es deinen Handgelenken?“, fragte er und lehnte sich vor um diese genauer betrachten zu können. Raven jedoch zuckte zurück, bevor er selbst einen Blick darauf warf. Noch vor wenigen Stunden war die Haut an seinen Handgelenken aufgescheuert und blutig gewesen. Nun war davon nichts mehr zu erahnen. Irritiert strich er über die makellose Haut und betrachtete sie ganz genau.
„Wie kann das sein?“, flüsterte er und sah verängstigt zu Keano.
„Du machst mir Angst. Das alles hier macht mir Angst“, fügte er mit zittriger Stimme hinzu.
„Erklär mir, was genau dir Angst macht. Vielleicht kann ich sie dir nehmen“, antwortete Keano verständnisvoll.