CURSE OF BLOOD

Teil I Leseprobe

Spät am Abend saß Keano wieder auf der Fensterbank in seinem Gemach, diesmal mit dem Buch in der Hand, welches er in der Bibliothek zu lesen angefangen hatte. Gedankenversunken bemerkte er auch diesmal nicht, wie Nakoa plötzlich vor dem Fenster auftauchte und ihn sanft anlächelte.
»Was liest du?«, fragte er liebevoll. Erschrocken sah Keano auf und klappte das Buch zu.
»Beobachtest du mich schon lange?«, fragte er leise, nachdem er den Schreck überwunden hatte.
»Nein, obwohl es ein sehr schöner Anblick ist, dich so zu sehen«, antwortete Nakoa und setzte sich zu Keano auf die Fensterbank.
»Mich wie zu sehen?«, hakte der irritiert nach.
»So konzentriert lesend«, erklärte Nakoa und zog Keano in seine Arme.
»Ich habe nur versucht, auf andere Gedanken zu kommen.« Keano warf das Buch auf sein Bett.
»Was beschäftigt dich denn so sehr, dass du Ablenkung benötigst?«, fragte Nakoa und strich Keano sanft über die Haare.
»Mein Vater will mich verheiraten, und zwar schon sehr bald. Er hat auch schon entschieden, wen ich heiraten soll«, antwortete Keano verzweifelt.
»Das ist natürlich keine erfreuliche Nachricht«, sagte Nakoa nachdenklich.
»Einst hatte er mir versprochen, ich dürfte meine Gemahlin selbst wählen, doch habe ich ihn damit zu lange hingehalten.« Keano machte eine kurze Pause und atmete hörbar aus. »Außerdem habe ich mich zu auffällig verhalten«, fügte er leise hinzu.
»Welch auffälliges Verhalten meinst du?«, hakte Nakoa interessiert nach.
»Nun ja, er hat herausgefunden, dass ich viel Zeit mit Reo im Stall verbracht habe und …«
»Das ist natürlich eine schwierige Situation«, unterbrach Nakoa ihn, da er gemerkt hatte, dass es Keano unangenehm war darüber zu sprechen.
»Deinen Vater umstimmen können wir sicher nicht aber vielleicht kann ich dich etwas besser von deinen Sorgen ablenken als das Buch«, sagte Nakoa lächelnd.
»Wie willst du mich denn davon ablenken?« Keano legte den Kopf schräg und sah ihn fragend an.
»Lass uns einen kleinen Ausflug machen«, schlug Nakoa vor und erhob sich von der Fensterbank.
»Wie stellst du dir das vor?«, fragte Keano und sah ihn ernst an. »Wenn mein Vater bemerkt, dass ich nachts das Haus verlassen habe, dann …«
»Er wird es nicht bemerken. Ich bringe dich noch vor Sonnenaufgang hierher zurück.« Nakoa reichte Keano seine Hand und sah ihm, noch immer lächelnd, tief in die Augen. »Vertrau mir«, hörte Keano Nakoas Stimme und spürte plötzlich wieder diese magische Benommenheit wie an dem Tag, an dem er das erste Mal auf ihn getroffen war.

Sie spazierten Arm in Arm durch ein ihm unbekanntes Waldstück. Keano hatte keinerlei Erinnerung daran, wie er aus dem Haus gekommen war, noch daran, wo er sich nun genau befand. Jedoch stellte er keine Fragen. Er vertraute Nakoa blind, obwohl er nicht verstand, warum.
Als sie aus dem Wald heraustraten, erschien vor ihnen ein großes, hell erleuchtetes Anwesen.
»Das ist mein Zuhause«, sagte Nakoa und schritt mit Keano auf das Gebäude zu. Die Tür öffnete sich wie von Geisterhand, doch auch das hinterfragte Keano nicht.
Höflich ließ Nakoa ihm den Vortritt.
So betrat Keano die große, prunkvolle Eingangshalle.
»Lass mich dir deinen Mantel abnehmen«, sagte Nakoa und half Keano beim Ausziehen.
Nakoas Anwesen war um einiges größer als das Landhaus von Keanos Familie. Prunkvoller, heller und freundlicher. Staunend sah er sich um. Für einen Moment vergaß er ganz, dass Nakoa noch anwesend war, so sehr faszinierten ihn die aufwendig gearbeiteten Wand- und Deckenverzierungen.
»Wohnst du hier allein?«, fragte Keano, ohne seinen Blick vom Deckengemälde abzuwenden.
»Nun, ich habe noch einige Bedienstete, die hier mit mir leben, aber ja, ich wohne alleine«, antwortete Nakoa. »Möchtest du, dass ich dir alles zeige?«, fragte er und sah Keano liebevoll an. Der drehte sich zu ihm um und sah ihm tief in die Augen.
»Schaffen wir das denn an einem Abend?«, fragte er noch immer staunend. Nakoa schüttelte den Kopf und trat lächelnd näher an Keano heran.
»Du bist wunderschön«, hauchte er ihm ins Ohr und stellte sich hinter ihn.
»Das sagtest du schon«, entgegnete Keano verlegen.
»Ich meine es auch so.«

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